Der Tagebau Turow soll nach Süden bis rund 70 Meter vor die polnisch-tschechische Grenze ziehen
Vor dem Zittauer Rathaus protestierte ein Grüppchen von Umweltaktivisten gegen die Erweiterung des Tagebaus Turow
Zittau reicht Klage gegen Tagebauerweiterung ein
Zittau klagt gegen die Erweiterung des polnischen Tagebaus Turow. Der Stadtrat stimmte heute Nachmittag (bei drei Enthaltungen) einem entsprechenden Antrag von Oberbürgermeister Thomas Zenker zu. Von der Stadt müsse Schaden abgewendet werden, so der Tenor. Laut einer Studie könnte Zittau durch die Fortführung des Tagebaus entlang der Neiße bis zu einem Meter absinken. Weitere Bedenken wie zur Grundwasser-, Feinstaub- und Lärmbelastung seien ebenfalls nicht beachtet worden. Der OB stellte klar, dass sich die Klage nicht gegen den Kohleabbau richte, sondern gegen die Umstände, die zur Genehmigung geführt hätten.
Alle Verwaltungsinstanzen wurden ausgereizt. Nun bleibe nur noch der Klageweg. Die Stadt will damit eine plausible Umweltverträglichkeitsprüfung erreichen. Es gehe um den Nachweis, dass durch den Tagebau keine Schäden entstehen, so der OB.
Stadträte äußerten gleichwohl Bedenken, dass durch die Klage die nachbarschaftlichen Beziehungen zu Polen Schaden nehmen, die Atmosphäre – wie ein Stadtrat formulierte – „vergiftet“ werden könnte. „In Bogatynia wird keiner in die Hände klatschen. Die Stadt lebt vom Kohleabbau“, räumte der OB ein, „aber wir brauchen geordnete Regeln“. Ein Stadtrat appellierte: „Wir müssen weiter im Dialog mit unseren Nachbarn bleiben“.
Im Bemühen für eine umweltverträgliche Lösung sieht sich Zittau vom Land Sachsen im Stich gelassen. Es werde derzeit eine Untätigkeitsklage gegen den Freistaat geprüft, so Oberbürgermeister Zenker. Die Klage gegen die Tagebauerweiterung wird Zittau beim Warschauer Wojewodschaftsverwaltungsgericht einreichen. Für das Verfahren will sich die Stadt eine versierte Anwaltskanzlei suchen. Gerichts- und Anwaltskosten werden auf 7.500 Euro geschätzt. Dabei handelt es sich natürlich nicht um den Streitwert. Der soll zu einem späteren Zeitpunkt ermittelt werden.
Auch in der tschechischen Region Reichenberg, heute Liberec, gibt es Umweltbedenken. Befürchtungen, dass durch den an die tschechische Grenze heranrückenden Tagebau Tausenden Einwohnern buchstäblich das Wasser abgegraben werden könnte. Prag war deshalb vor den Europäischen Gerichtshof gezogen. Der Klägerin waren gute Chancen signalisiert worden. Im Februar zog Tschechien die Klage aber überraschend zurück. Polen hatte mit 45 Millionen Euro gewunken und dem Versprechen, eine unterirdische Mauer vor der tschechischen Grenze zu errichten. Sie soll einen Abfluss des Grundwassers verhindern. Beide Staaten beendeten den Rechtsstreit mit einem Vergleich.
Vor dem Zittauer Rathaus protestierten gestern Anhänger der Bewegung "Fridays for Future" und Greenpeace-Aktivisten. Sie warnten vor den Folgen, sollte der polnische Braunkohletagebau erweitert werden.
Audio:
Reporter Knut-Michael Kunoth sprach nach dem Beschluss mit Oberbürgermeister Thomas Zenker
Stadtrat Dietrich Thiele (Freie Unabhängige Wähler) hat dem Beschluss zugestimmt, aber er hat Bedenken
AfD-Stadtrat Jörg Domsgen zur Verantwortung von Bund und Land
Reporter Knut-Michael Kunoth im Gespräch mit dem Verfasser der Turow-Studie, Ralf Krupp
Wird es Aktionen auf dem Tagebaugelände von Greenpaece geben? Greenpeace-Aktivistin Bettina Schwörer, Ortsgruppe Zittau
Alexander Hilse, "Fridays for Future"